Parkinson, eine besondere Herausforderung auch für Therapeuten
Als Physiotherapeut begegnen mir immer wieder Patienten mit Parkinson, und eines wird schnell klar: Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Diese neurodegenerative Erkrankung tritt in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf, und jede davon erfordert eine spezifische Herangehensweise in der Therapie. Das Ziel meines Blogs ist es, Patienten und ihre Angehörigen über die vier Hauptformen der Parkinson-Krankheit zu informieren und aufzuzeigen, wie sich die Therapieansätze unterscheiden. Zusätzlich werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen bei Patienten mit Dyskinesien, die durch eine langjährige Einnahme von L-Dopa entstehen können.
Die vier Erscheinungsformen von Parkinson
Die Parkinson-Erkrankung zeigt sich bei jedem Betroffenen unterschiedlich, doch lassen sich vier Hauptformen unterscheiden:
1. Akinetisch-rigide Form
Diese Form zeichnet sich durch eine ausgeprägte Bewegungsarmut (Akinese) und Muskelsteifheit (Rigor) aus. Bewegungen wirken langsam und schwerfällig, und die Betroffenen fühlen sich oft „wie eingefroren“ oder haben das Gefühl sehr schwere Arme und Beine zu haben.
Therapieansatz:
Mobilisierung: Ziel ist es, die Beweglichkeit zu fördern und steife Muskeln zu lockern. Übungen zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und Haltung sind essenziell.
Besonders wichtig ist das Gehtraining, um das typische „trippelnde“ Gangbild zu verbessern und grosse Schrittbewegungen zu erhalten.
Rhythmusförderung: Externe Reize wie Musik oder Metronome können helfen, Bewegungsimpulse zu initiieren.
2. Tremordominante Form
Bei dieser Form steht das unkontrollierbare Zittern (Tremor) im Vordergrund, das in Ruhe stärker ausgeprägt ist. Die Muskelkraft bleibt oft länger erhalten, doch der Tremor kann die Feinmotorik und Alltagsaktivitäten erheblich beeinträchtigen.
Therapieansatz:
Entspannungstechniken: Atemübungen, gezielte Dehnungen oder Elemente aus dem Yoga helfen, den Tremor zu reduzieren. Als ebenfalls hilfreich haben sich Massagen und Faszientechniken an den Armen erwiesen.
Das Training mit Alltagsgegenständen (z. B. Knöpfe öffnen, Wäscheklammern, Schrauben drehen) verbessert die Geschicklichkeit und die Koordination.

3. Posturale Instabilitäts-dominanter Typ
Der Hauptfokus dieses Subtyps liegt auf posturaler Instabilität, das heißt auf einer gestörten Körperhaltung und Gleichgewicht. Patienten haben Schwierigkeiten beim Stehen und Gehen, was zu einem erhöhten Sturzrisiko führt. Es kommt zu einer zunehmenden Instabilität im Gang und beim Aufrichten aus dem Sitzen.
Therapieansatz:
Gleichgewichtstraining und Gehtraining auf verschiedenen Untergründen oder im Hindernisparkour sind geeignete Mittel um das Sturzrisiko zu minimieren und das Gleichgewicht und die Körperwahrnehmung zu verbessern.
4. Äquivalenzform
Diese Mischform kombiniert die Symptome Bewegungsarmut, Muskelsteifheit, Gleichgewichtsprobleme und Zittern in unterschiedlichen Ausprägungen. Die Therapie muss hier individuell auf die jeweilige Symptomatik abgestimmt werden.
Therapieansatz:
Eine Kombination aus Mobilisation, Kraft- und Koordinationstraining, sowie Gleichgewichtstraining und Gangschule.Regelmäßige Anpassungen der Therapie ist notwendig, da sich die Symptome oft im Verlauf verändern. Als Physiotherapeut im Fachbereich Neurologie muss man sich beinahe täglich neu auf jeden Patienten einstellen, da je nach Tagesform die motorischen Fähigkeiten der Patienten variieren können.
Dyskinesien
Als eine Sonderform, man könnte es fast die fünfte Erscheinungsform nennen, kann man die Dyskinesien nach langjähriger L-Dopa-Einnahme bezeichnen.
Diese Verändern das Symptombild des Patienten noch einmal stark.
Viele Patienten mit Parkinson profitieren anfangs stark von der Medikation mit L-Dopa, einem wichtigen Wirkstoff, der den Dopaminmangel im Gehirn ausgleicht. Nach mehreren Jahren der Einnahme können jedoch sogenannte Dyskinesien auftreten – unwillkürliche, überschießende Bewegungen, die den Alltag erheblich beeinträchtigen.Die Wirkung von L-Dopa wird im Laufe der Zeit unregelmäßiger, was zu einem Wechsel zwischen Bewegungsarmut und überschießenden Bewegungen führt. Diese Schwankungen können für Patienten sehr belastend sein.
Therapieansatz:
Sanfte Bewegungsschulung, Übungen, die auf flüssige, kontrollierte Bewegungen abzielen, sind besonders wichtig. Hierbei kann der Einsatz von Visualisierung über einen Spiegel und Übungen mit einem festgesetzten Ziel der Bewegung hilfreich sein.
Reduktion von Stressfaktoren während der Therapie und im Alltag helfen, denn Stress verstärkt Dyskinesien. Entspannungstechniken und ein ruhiges Therapieumfeld sind daher essenziell.
Übungen zur Stabilisierung und Balance helfen, überschießende Bewegungen besser zu kontrollieren.
Was Angehörige wissen sollten
Parkinson betrifft nicht nur den Patienten, sondern auch das Umfeld. Angehörige können die Therapie unterstützen, indem sie:
Für regelmäßige Bewegung im Alltag sorgen (z. B. Spaziergänge, Tanzen, Haushaltsarbeiten).
Geduld bei langsamen Bewegungen zeigen.
Den Patienten bei Entspannungsübungen begleiten.
Auf die richtigen Hilfsmittel und ein sicheres häusliches Umfeld achten.
Eine maßgeschneiderte Therapie für jeden Patienten
Jeder Mensch mit Parkinson hat seine eigene Geschichte und seinen eigenen Weg mit der Krankheit. Eine erfolgreiche Therapie setzt darauf, die individuellen Symptome zu erkennen und gezielt darauf einzugehen. Besonders wichtig ist die regelmäßige Anpassung der Therapie, um den Verlauf der Krankheit und mögliche medikamentenbedingte Veränderungen wie Dyskinesien zu berücksichtigen.Physiotherapie ist nicht nur Bewegungstraining – sie ist auch ein Schlüssel zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Selbstständigkeit im Alltag. Mit der richtigen Unterstützung können Menschen mit Parkinson ein aktives Leben führen.Haben Sie Fragen oder möchten Sie mehr über unsere physiotherapeutischen Ansätze erfahren? Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung!
Ihr Martin Gundermann
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